SCHÖNE ANALOGIE: SANDLER JAGT KOLOSSE

Wenn Adam Sandler auf der Leinwand erscheint, dann erwartet die Zuschauerschaft in der Regel seichte Witzchen. Dass er auch anders kann, ja sogar eine ganz talentierte Seite zeigt, wenn man ihn nur lässt, beweist eindrucksvoll der bereits 2007 erschienene Film “Reign over me” – bei uns landestypisch mit dem Untertitel “Die Liebe in mir” versehen. Auch wenn die deutsche Synchronisation dank Sandlers Stammsprecher Dietmar Wunder beim Zuschauer stets die Befürchtung weckt, dass gleich doch die Kalauer losfeuern, so handelt es sich bei “Reign over me” um einen überraschend intensiven, feinfühligen Film, der einen in sich gekehrten und wegen des Verlusts seiner Familie gebrochenen Charakter zeigt. Neben Sandler liefert übrigens auch Don Cheadle ein recht gutes und glaubwürdiges Schauspiel ab. Dass ein ernster Sandler nicht bei allen ankommt, quittiert Metacritic mit mittelmäßigen 61% – man kann es halt nicht allen recht machen.

Aber zum Thema: Während Sandler im Film den Verlust seiner Familie verarbeitet und sich in seiner Welt aus Musik und TV abschottet, spielt er regelmäßig auf der Playstation 2. An dieser Tatsache sind direkt mehrere Dinge überraschend. In der Regel werden nämlich auf der großen Leinwand selten konkrete Spiele gezeigt oder sogar benannt, wenn es um die Darstellung videospielender Charaktere geht. Hier ist jedoch für den eingeweihten Zuschauer sofort erkennbar: Sandler spielt “Shadow of the Colossus” auf der PS2. Und das ist wirklich ein passender Titel: Im 2006 erschienenen Spiel des Herstellers “Team ICO” spielt Ihr einen Jungen namens Wander, der im Intro den Leichnam eines Mädchens in einen Tempel bringt, um sie wieder ins Leben zurückzuholen. Der Preis dafür: er soll 16 Kolosse erledigen. Soweit adventuretypisch, macht “Shadow of the Colossus” dennoch vieles anders. Der “Held” ist kein Muskelprotz, sondern ein schweigsamer Normalo, die weiten Steppen und Tempel sind in blassen Farben gehalten, erinnern an Bilder von Casper David Friedrich, melancholisch und einsam. Es gibt keine Gegner, die Kolosse stellen die einzigen Ziele im Spiel dar. Mit Musik wird ebenfalls gespart, das Heulen des Windes und das Hufgeklapper des Pferdes bestimmen den Ton. Der Spieler kommt sich inmitten der Spielwelt verloren und winzig vor, getrieben von seinem einzigen Ziel: dem Mädchen sein Leben wieder zu schenken.

Die Auswahl des Spiels in “Reign over me” geschah also offenbar nicht zufällig, sondern mit dem Ziel, auf einer Metaebene einen Bezug zum Charakter herzustellen, den Sandler im Film verkörpert. Der Kampf gegen die düsteren, riesenhaften Kolosse, den Sandler dabei in seiner Phantasiewelt bestreitet, kann durchaus mit dem Kampf gegen den Verlust und die Trauer in der realen Welt gedeutet werden. Und das erstaunt umso mehr, denn bisher zeichnen sich etablierte Medien nicht gerade dadurch aus, Videospiele ernst genug zu nehmen, um sie auch einmal inhaltlich zu analysieren und im passenden Kontext zu zitieren.

Und aus diesem Grund empfehlen wir Euch gleich den Doppelpack: Schaut Euch den Film an und spielt das Spiel – sofern ihr eine PS2 oder PS3 besitzt, denn für letztere erschien ein schönes Remake, welches zusammen mit ICO verkauft wird. Übrigens waren die Metacritic-User mit “Shadow of the Colossus” gnädiger als mit dem Film: 91 Punkte vergaben sie an das Meisterwerk.

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