DER KRIEG IM WOHNZIMMER

Das Staffelfinale von HOMELAND ist gerade in deutschen Fernsehern gelaufen, da schickt Arte das israelische Original ins Rennen. Wie auch HOMELAND stammt HATUFIM – In der Hand des Feindes ebenfalls aus der Feder von Gideon Raff, der in Jerusalem geboren wurde und seit seinem sechsten Lebensjahr in Washington D.C. lebt.

Überraschend zeitgemäß wirkt die Sendung in ihrer Machart. Schnelle Schnitte, Digitaleffekte, gutaussehende Darsteller. Dieser Eindruck mag daran liegen, dass israelisches Fernsehen hierzulande völlig ungewohnt ist, aber viel mehr noch daran, dass das deutsche Fernsehen seine Zuschauer auch nicht gerade mit solchen Formaten verwöhnt.

Vieles ist bereits bekannt, die Serie beginnt – genau wie HOMELAND – mit dem heutigen Alltag dreier Familien, die plötzlich die Nachricht erhalten, dass die vor 17 Jahren entführten Soldaten heimkehren werden. Hier kommen sie nicht zurück aus Afghanistan, sondern aus dem Libanon und diesmal sind es drei, wobei einer im Sarg nach Hause zurückkehrt. Sie wurden auch nicht spektakulär aus einer Höhle befreit, sondern ganz diplomatisch und nüchtern freigekauft.

Während die meisten emotionalen Momente mit denen aus HOMELAND relativ identisch sind, gestaltet sich das übrige Setting recht anders, nicht nur Landschaft und Kultur sind dem deutschen Zuschauer fremdartiger als die Vorstadt von Boston, auch das politische Vorgehen rund um die Heimkehrer wirkt anders, als die aus zahlreichen Filmen bekannte Arbeit der CIA.
Obwohl als nationale Helden gefeiert, werden die zwei gleich nach ihrer Ankunft wieder eingesperrt und auf feindselige und perfide Weisen verhört. Die Zeichnung der beiden gebrochenen Männer ist dabei sehr viel feinsinniger und glaubwürdiger als im amerikanischen Äquivalent, der eigene Geheimdienst sehr viel unheimlicher und undurchsichtiger. Hier lässt die Produktion die gewagte Annahme zu, dass die Machthaber im eigenen Land nicht unbedingt gut sind – etwas, das in der US-Variante in dieser Form vermutlich nicht massentauglich oder auch gar nicht über den TV-Schirm gegangen wäre.

Ein weiteres und anderes Spannungsfeld entsteht besonders durch die drei hinterbliebenen Familien, hier ist nicht ganz so viel heile Welt wie in Suburbia. In der Hauptfamilie, kennt der Sohn den Vater gar nicht, die Tochter ist so grauenhaft pubertierend, dass sie auch für nicht Traumatisierte schwer erträglich ist. Die Freundin des zweiten Heimkehrers hat nicht auf ihn gewartet, sie hat dessen Bruder geheiratet und mit diesem einen Sohn. Medial breitgetreten weiß die ganze Öffentlichkeit davon, nur die Familie weiß noch nicht, dass der Soldat es ebenfalls schon in der Gefangenschaft erfahren hat, und versucht kläglich die Fassade aufrecht zu halten. Die Handlung verfolgt auch die Familie des tot zurückgebrachten Kameraden. Während die anderen beiden Frauen emotional mit den fremd gewordenen Männern zu kämpfen haben, kämpft die Schwester des Toten mit ihren halluzinatorischen Wunschvorstellungen.

Nach zwei bislang ausgestrahlten Folgen ist noch nicht ganz klar, ob die in HATUFIM nicht existente Figur der Agentin mit bipolarer Störung aus HOMELAND (Claire Danes) tatsächlich fehlt oder eine Wohltat ist.
Darüber hinaus ist hier von Anfang an klar, dass zumindest einer der Heimkehrer einen Auftrag vom Feind mit auf den Weg bekommen hat.

HATUFIM (wörtl.: Entführte) ist nicht ganz so reißerisch inszeniert wie HOMELAND, die gezeigte Realität ist der unsrigen ferner, dennoch wirkt das Gezeigte echter und damit auch unangenehmer. Der fehlende Hollywood-Hochglanz nimmt einen Teil der Distanz und lässt das grausame Geschehen auf dem heimischen Sofa plötzlich sehr real werden. Genau dieser Aspekt hat beide Serien so unglaublich erfolgreich gemacht, der Krieg findet nicht mehr in irgendwelchen Wüstengebieten in den Nachrichten statt, sondern zuhause im Wohnzimmer.

HATUFIM – In der Hand des Feindes, Israel 2009-2012, 1. Staffel 10 Folgen (insges. 24), donnerstags, immer zwei Folgen auf Arte (die ersten beiden Folgen online auf arte+7).

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