Helen hat Hämorrhoiden, Helen rasiert sich den Hintern, Helen landet mit Analfissur im Krankenhaus. Soweit der Plot. Von hier aus resümiert Helen alles, was ihr zu Körperflüssigkeiten so einfällt und damit sie es jemandem erzählen kann, gibt es den Krankenpfleger Robin, den das ganze weit erstaunter zurücklässt als den Zuschauer.
Regisseur David Wnendt hat die Reflexionen der Helen Memel über alles, was der menschliche Körper so produziert, mit ein wenig Hintergrund gefüllt – offenbar anders als in Charlotte Roches Romanvorlage [Achtung: nicht gelesen!].
Diese scheinbar neuen Elemente, machen die Geschichte dann tatsächlich interessant. Axel Milberg als dauerarbeitender Vater mit neuer Frau und Swimming Pool, der so gar nicht weiß, wie er mit seiner Tochter umgehen soll und Meret Becker als suizidale und verklemmte Katholikin, die der Tochter bereits im Kindesalter die wichtigste Lektion im Leben beibringt: „Vertraue niemandem!“ Das Spannungsfeld dieser wunderbaren Figuren und das daraus resultierende Drama des Scheidungskinds tragen den Film über weite Strecken. Leider nicht weit genug. Denn der Großteil des Films besteht dann eben doch aus den immer wieder von Neuem beginnenden kleinen Anekdoten der Helen, bei denen der Zuschauer jedes Mal weiß, jetzt gleich wird’s wieder eklig. Der einzige Spannungsbogen, der daraus entsteht, ist die Frage danach, welches Sekret nun wieder enthüllt wird. Und das ganze gespickt mit Detail-Bildern, die nur in der Erwartungshaltung des Zuschauers vermeintlich eklig oder anstoßend sind, sich dann beim Auflösen der Nahaufnahme aber in etwas anderes als das Erwartete verwandeln. So beginnt der Film mit der vermeintlichen Po-Ritze, die bloß ein gebeugter Ellbogen ist, ähnlich verhält es sich später mit dem Geglibber im Inneren eines Körpers, dem Körper eines Brathuhns wie sich herausstellt.
Und so funktioniert eigentlich der ganze Film, im ersten Moment und extrahiert aus dem Kontext wirkt alles ein bisschen fies, aber letzten Endes lebt jeder von uns in einem Körper, der die gleichen Dinge absondert und das ist dann doch wenig absonderlich. Warum sollte also eine Schleimspur in der Unterhose oder ein Rest Sperma in der Hand irgendwen im Publikum schockieren? Und so stellt sich wohl eher die Frage nach der einzig nicht visualisierten Flüssigkeit der Feuchtgebiete: der Überflüssigkeit!
In Anbetracht der unzähligen Lieschen Müllers da draußen, denen der Film schon vor dem Kinostart (am 22.08.) offensichtlich viel Grund zur Aufregung gibt, scheint es dann doch, als hätte die Welt diesen Film gebraucht. Herzlichen Glückwunsch!
FEUCHTGEBIETE, D 2013, R: David Wnendt, 119 Min.
Kleiner Nachtrag zum Filmischen: die einzige Szene, die vermutlich länger im Gedächtnis bleiben, wenn nicht sogar in die Filmgeschichte eingehen wird, ist die des in Zeitlupe spritzenden Spermas zu “An der schönen blauen Donau” von Johann Strauß. Zu schade, dass ausgerechnet in einem Film, in dem so viel über die Konsistenz von Körperflüssigkeiten (“von Öl bis Hüttenkäse”) philosophiert wird, eben diese visuell gar nicht überzeugt.