KINDER, KÜCHE, KILLER

Sie haben sich schon immer mehr getraut als die anderen. Die Briten. Und so merkwürdig wie die Zutaten in der landestypischen Küche, sind auch die Zutaten der neuen Serie Hit & Miss. Vom Stern in die Top Ten der aktuellen Serien gewählt, die man gesehen haben muss, schafft Hit & Miss es tatsächlich, dem Publikum etwas zu zeigen, das es so noch nicht gesehen hat. Und der Zuschauer kriegt es nicht nur in Breitbild, er kriegt auch die volle Breitseite.

Eine Mondlandschaft in Yorkshire, einsam, weitestgehend ohne Vegetation. Ein kleiner Bauernhof, das Setting ist an Kargheit kaum zu toppen. Chloe Sevigny ist Auftragskillerin, kaltblütig, schnell, präzise. Wie eine Maschine, sagt ihr Chef. Er hält ihren Lohn bereit und eine Postkarte. „My ex died“, liest sie und erfährt im nächsten Satz von einem 11jährigen Sohn, den sie unwissend gezeugt hat. Mia ist transsexuell und steht kurz vor der finalen OP. Doch weil ein mörderischer Job und ein sexuelles Identitätsproblem noch nicht genug sind, muss sie fortan auch noch für ihren Sohn, dessen drei Geschwister und den Bauernhof sorgen.

Was als Idee fast so idiotisch klingt wie die Handlung von Fitzcarraldo, wird Dank eines beeindruckenden Ensembles, unglaublicher Ruhe und sehr viel Mut auf Bild- und Handlungsebene zu einer sehenswerten Serie, deren merkwürdige Charaktere einem fast ein bisschen ans Herz wachsen.

Im Gegensatz zu Serien wie True Blood, die ebenfalls abstruse Geschichten voll Sex und Gewalt ins Wohnzimmer bringen, entsteht der Reiz von Hit & Miss vor allem dadurch, dass die Geschichte zwar auch in größtmöglicher Distanz vom heimischen Alltag angesiedelt ist, dennoch stets real ist. Und runtergebrochen auf den Kern, sind die größten Probleme zunächst: Wie kriegt Frau Job und vier Kinder unter einen Hut, obendrein fremd und traumatisiert vom Tod der Mutter. Und irgendwo zwischen Kindergarten, Pubertät, Bauernhof und Auftragsmord hasst Mia ihren Körper, wird als Freak beschimpft und lässt sich von Chef und Vermieter diverse Steine/Felsbrocken in den Weg legen.

Während es durchaus ungeheuer faszinierend ist, all diesem Chaos zuzusehen, werden leider viele Aspekte ausgeblendet, die die Serie schließlich doch sehr unglaubwürdig werden lassen. Wo ist das Jugendamt, der Arzt, der die Umwandlung betreut, warum hat eine Killerin im Nirgendwo in Yorkshire täglich Aufträge?
Etwas anderes hingegen wird jede Folge eingeblendet. Was im Piloten noch als extrem mutig schien, als Mia duschen geht und der Zuschauer tatsächlich einen kurzen Blick auf den nackten Körper erhascht, wird irgendwann aufdringlich, geradezu nervig. Permanent folgt die Kamera ins Bad, aufs Klo, ja selbst im Krankenhaus müssen wir zusehen, wie ein Blasenkatheter gezogen wird.

Obwohl in Großbritannien von Publikum und Kritik gelobt, endet Hit & Miss bereits mit Ende der ersten Staffel. Ob sich das Format erfolgreich ins Ausland verkaufen lässt, wird sich zeigen, Deutschland hat zugeschlagen. Wenn es so läuft wie bei True Blood, werden die Folgen jedoch vermutlich auf 30 Minuten gekürzt.

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