THE FILTER BUBBLE – DAS MASSGESCHNEIDERTE INTERNET ALS GEFAHR

Welchen Einfluss haben Google, Facebook und Co. auf die Entwicklung unserer Gesellschaft und welche Gefahren bringen sie unter Umständen mit sich? All diese Fragen hat sich Eli Pariser gestellt und sehr unterhaltsam in seinem Buch „The Filter Bubble – How the new personalized web is changing what we read and how we think“ auf knapp 250 Seiten beantwortet.

Was vielleicht zuerst etwas trocken klingt entpuppt sich aber schon zu Beginn als sehr interessante, und dank des lockeren Schreibstils von Pariser unterhaltsame Lektüre. Neben zahlreichen Beispielen gibt es auch überraschende Aspekte, die man bei diesem Thema nicht erwartet hätte. Ob es nun Abstecher in die Bereiche Städtebau oder Bildungspolitik sind, Pariser blickt weit über den IT-Tellerrand hinaus.

Einstieg in die Thematik sind die zahlreichen Internetseiten, die mittlerweile mit personalisierten Angeboten locken. Wer kennt beispielsweise nicht die Amazon Rubrik „Nutzer die das gekauft haben interessierten sich auch für…“. Was hingegen nicht jeder weiß ist, dass Google dank zahlreicher „Signale“ (z.B. der Ort an dem man ins Internet geht, welches Betriebssystem und welchen Browser man nutzt, wonach man vorher schon gesucht hat etc. (insgesamt gibt es 57 solcher Parameter)) die Suchergebnisse für jeden von uns individuell gewichtet und sortiert. Wenn man also nach BP sucht, erhält der eine generelle Informationen über das Unternehmen, der andere Berichte über die Ölkatastrophe vor der Küste der USA. Diese wiederum tauchen bei der ersten Person aber garnicht auf.

Anhand dieses einfachen Beispiels beginnt Pariser eine ausführliche Beschreibung verschiedenster solcher Filtersysteme. Zum Beispiel auch den Algorithmus der den Facebook-Feed bestückt. Hier stellt Pariser eines Tages fest, dass Posts seiner eher konservativen denkenden Freunde verschwanden, weil Facebook merkte, dass er häufiger auf Links seiner liberalen Freunde klickte.

Mit diesen und weiteren Beispielen arbeitet er die Gefahren der zunehmenden Personalisierung des Internets heraus:

Allen voran steht dabei die Tatsache, dass viele Leute nicht wissen, dass es diese Filter gibt und dass man sich nicht anzeigen lassen kann, warum man genau diese Ergebnisse erhält, also für was für eine Person mit welchen Interessen einen Google oder Facebook halten.
Auch auf die Persönlichkeitsentwicklung der Menschen hat dies Folgen. So wird man dank der personalisierten Suche nur noch mit Informationen konfrontiert, die das eigene Weltbild bzw. die eigene Meinung bestätigen. Eine Auseinandersetzung mit anderen Meinungen und Ansichten findet somit praktisch nicht mehr statt. Und nicht nur soziale Netzwerke sind hiervon betroffen. Auch vermeintliche „neutrale“ Medien wie die Websites von Zeitungen verändern ihren Inhalt dynamisch je nach Nutzer. Darunter prominente Vertreter wie die New York Times und Huffington Post.

Und das führt gleich zum nächsten Problem. Früher haben Redakteure bestimmt, was wichtig für ihre Leser war und diese Themen entsprechend gewichtet. Gleichzeitig gab es aber den Berufsethos, dass es Themen gibt, die vielleicht nicht für viele Personen interessant sind, von denen man aber gehört haben sollte. Diese fanden also trotzdem ihren Weg in die Zeitungen und selbst wenn man sich als Leser nicht dafür interessierte, hat man zumindest die Schlagzeile überflogen und das Thema so zumindest wahrgenommen. In der heutigen Zeit wären das Themen wie Altersarmut, soziale Ungleichheiten, Rechtsradikalismus in der Gesellschaft, Kindesmisshandlungen und ähnliches. Alles Dinge, die man nicht unbedingt lesen möchte, für die man als Gesellschaftsmitglied ein Bewusstsein haben sollte.

Auf vorsortierten und gefilterten Seiten würden diese Themen nun gar nicht mehr stattfinden und so unsere Wahrnehmung der Gesellschaft und ihrer Problem fundamental verändern (frei nach dem Kinderglauben „Was ich nicht sehe, sieht mich auch nicht“). In ihren Algorithmen fehlt schlicht dieses ethische Bewusstsein.

Auch ein Beispiel aus dem Städtebau hält Pariser bereit. So wurde festgestellt, dass Stadtteile in denen nur gleiche Personen (ähnlicher familiärer, kultureller und politischer Hintergrund) wohnen weniger lebendig und entwicklungsfähig sind als solche in denen viele unterschiedliche Kulturen und Meinungen vertreten sind. Gleichzeitig müssen die Stadtteile sich aber trotzdem in ihrem Charakter so unterscheiden, dass nicht alle nur den kleinsten gemeinsamen Nenner darstellen.

Manchmal sind es aber auch Kleinigkeiten, die entscheidend sind. Die Tatsache, dass es bei Facebook den Like-Button gibt ist so ein Beispiel. Allein die Benennung „Like“ begünstigt, dass irgendwelche Youtube-Videos, lustige Fotos etc. häufiger als ernste Themen geteilt werden. Wer will bei einem Bericht über den Bürgerkrieg in Mali oder die Massenvergewaltigungen in Indien schon auf „gefällt mir“ klicken? Entsprechend spielen diese Themen in den Newsfeeds der Facebook-Nutzer keine große Rolle. Pariser schlägt daher als Ergänzung für solche Themen einen „Important“-Button vor.

Die Liste mit interessanten Beispielen ließe sich endlos fortsetzen. Und auch wenn sie einzeln vielleicht noch nicht so dramatisch erscheinen, in einer Welt in der die Informationsbeschaffung über das Internet immer mehr „alte Medien“ wie Zeitungen verdrängt wird die von Pariser angestoßene Diskussion immer wichtiger werden. Jedem, der sich für die zukünftige Entwicklung des Internets und der anderen Medien interessiert sei die Lektüre daher wärmstens empfohlen.

Nach dem Lesen des Buchs fühlt man sich dann auch schon fast genötigt doch mal wieder eine Zeitung zu lesen, um sich aus unterschiedlichen Quellen zu informieren. Ich jedenfalls habe direkt mal eine Probeabo einer Zeitung abgeschlossen. Mal schauen wie lange die guten Vorsätze halten…

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.