FAHRENHEIT REMASTERED EDITION

Wenn es um Computerspiele als erzählendes Medium geht, gerät man auch heute noch zwischen die Fronten gegensätzlicher Stömungen: Da wäre z.B. die Narratologie, die Spiele auf einer Ebene mit Literatur, Theater oder Film sehen möchte, und für deren Bewertung die Maßstäbe dieser älteren, etablierten Kunstformen anwendet. Im Gegensatz dazu möchte die Ludologie sich auf das Merkmal konzentrieren, welches ein Spiel vom Rest der darstellenden Künste unterschiedet: die Spielmechanik. Der Klassiker “Schach” kommt schliesslich komplett ohne (konkrete) Narration und Präsentation aus – und fesselt seit Jahrhunderten. Dabei lehnen Ludologen komplexe Geschichten oder Schauwerte gar nicht ab. Sie gehen aber davon aus, dass ein Spiel, welches gleichzeitig Film sein will, in keiner der beiden Disziplinen mit den jeweils Besten mithalten kann. Ein Kompromiss also, und somit weder Fleisch noch Fisch.

2005 erschien für die Playstation und den PC “Fahrenheit”. Im Gegensatz zu den damals vorherrschenden Genres der Ego-Shooter oder Open-World-Spiele wollte “Fahrenheit” von Beginn an eine Geschichte erzählen. Und das mit filmischen Mitteln. Die Bildkomposition wirkt jederzeit so, als wäre sie für die große Leinwand und nicht für den PC-Bildschirm im Arbeitszimmer gestaltet worden, die Szene wechselt häufig in Splitscreenansichten, die der Zuschauer nicht nur aus der Serie “24″ kennt. Der große Star der Präsentation ist aber der Soundtrack: Die von Angelo Badalamenti, der schon Twin Peaks oder Lost Highway musikalisch untermalte, geschaffene Musikwelt erzeugt eine perfekt in jede Szene passende Stimmung. Auch die Synchronisation ist gut gelungen, und erreicht eine 2005 in Videospielen noch seltene Qualität.

Aus heutiger Sicht – immerhin quetscht Telltale mittlerweile aus jedem großen Franchise eine (oft sogar sehr gute) interaktive Button-Drück-Orgie – wirkt das Spielprinzip dagegen ziemlich rudimentär: An bestimmten Stellen muss durch das richtige Drücken von Tastenkombinationen die Story in eine große Richtung gelenkt werden, was beim ersten Durchspielen zumindest den Eindruck erweckt, dass man den Fortgang der Geschichte wirklich beeinflussen kann. Dass dahinter einfach wenige grobe Wege liegen, die der Autor vorgesehen hat, und dass viele unterschiedliche Erzählstränge am Ende wieder zu einem der vorgesehenen Enden führen, liefert den Ludologen wieder die passende Munition. Am Ende nimmt der Spieler die sogenannten Quicktime-Events schon fast als störend wahr. Die Frage, ob eine Geschichte wie “Fahrenheit” überhaupt Interaktivität benötigt, wenn dies lediglich dazu führt, dass bei falschem Knopfdruck nicht das gewünschte Storyende passiert, ist nicht so ganz von der Hand zu weisen.

Letztlich ist “Fahrenheit” dennoch ein Meilenstein. Es hat interaktive Geschichten auf eine neue Ebene gehoben (und vielleicht so heutige Telltale-Spiele erst möglich gemacht?). Es hat gezeigt, dass Charaktere in Videospielen nicht alle Klischees in einer Person bedienen müssen, und es hat gezeigt, dass Spieleprogrammierer gut daran tun, sich audiovisuell stärker von Hollywood inspirieren zu lassen.

“Fahrenheit” erscheint am 29. Januar 2015 als “Remastered Edition” auf Steam, diesmal sogar für den PC, Mac und Linux.

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